Pressetext von Hans-Henning Scharsach
Mehrfach hat Strache behauptet: „Ich war nie Neonazi“. Polizeiprotokolle aus den 80er- und frühen 90er-Jahren belegen, dass der FPÖ-Chef und wahrscheinliche künftige Innenminister aus dem radikalsten Teil der Neonazi-Szene kommt.
Zum Jahreswechsel 1989/90 hatte er an einer Kundgebung der neonazistischen Wiking-Jugend teilgenommen, die Hajo Funke, Rechtsextremismus-Experte an der Universität Berlin, zu den gewaltbereitesten Gruppierungen der deutschen Neonazi-Szene zählte. Ein Mitglied dieser Gruppierung ist für den schlimmsten neonazistischen Terror-Anschlag der europäischen Nachkriegsgeschichte verantwortlich: 1980 hatte eine Bombe auf dem Münchener Oktoberfest 13 Menschen getötet und mehr als 200 schwer verletzt. Viele von ihnen wurden nie wieder gesund, blieben an den Rollstuhl gefesselt, auf fremde Hilfe angewiesen.
Drei Wochen nach diesem Anschlag die nächsten Morde: Der jüdische Verleger Shlomo Levin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke fielen (nach Stand der polizeilichen Ermittlungen) dem Anschlag eines Mitglieds der Wiking-Jugend zum Opfer, der auf der Flucht erschossen wurde. Zahlreiche weitere Wikinger wurden verurteilt – unter anderem wegen Totschlags und schwerer Körperverletzung.*
Im ORF-Sommergespräch 2007 hatte Strache Kontakte zur Wiking-Jugend noch bestritten. Dann aber tauchten Fotos auf, die ihn beim Aufmarsch der „Wikinger“ zeigten: an vorderster Front, flankiert von teilweise vermummten Neonazis, oder neben einem Aktivisten mit dem Nazi-Symbol der Odal-Rune am Ärmel.
Trotz derart eindeutiger Belege behauptet Strache im Gespräch mit den Buchautorinnen Nina Horaczek und Claudia Reiterer, es habe sich um ein Faschingsfest gehandelt, mit Volkstanz und Kindern, „wie bei den Pfadfindern.“
Diese Darstellung sei „haarsträubend“, erklärte Bernd Wagner, Leiter der Abteilung Staatsschutz der neuen deutschen Bundesländer. Ein Journalist, der damals für ein lokales Blatt über die Zusammenstöße zwischen der örtlichen Polizei und den gewaltbereiten Demonstranten berichtet hatte, erinnert sich: „Das war ganz eindeutig eine Nazi-Veranstaltung“, bei der rechtsradikale Parolen gebrüllt und Nazi-Lieder gesungen worden seien.
* Gegründet wurde die Wiking-Jugend nach dem Vorbild der Hitler-Jugend, um Jugendliche im nationalsozialistischen Sinn zu erziehen und einem militärischen Drill zu unterwerfen. Durch die Vernetzung mit anderen Organisationen kam der Wiking-Jugend eine Schlüsselstellung innerhalb des europäischen Neonazismus zu. In der Zeitschrift Wiking-Ruf, ist Hitler mehrfach als „erfolgreichster Staatsmann der Geschichte“, „Engel“ und „Erlöser“ gefeiert worden. 1999 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Berlin das Verbot der Wiking-Jugend. Sie sei „extrem rassistisch und antisemitisch ausgerichtet“, verwende „Symbole und Begriffe des Nationalsozialismus“ und vermittle „positive Erinnerungen“ an maßgebliche Repräsentanten des Hitler-Regimes, heißt es im Urteil.
Das Landratsamt in Fulda hatte den Neonazi-Aufmarsch wegen des „hohen Gewaltpotentials“ der Wiking-Jugend untersagt. Die Wikinger aber hielten sich nicht daran. Um den Sturm auf eine Synagoge zu verhindern, wurden 21 Neonazis von der Polizei in neunstündige „Verwahrungshaft“ genommen, darunter Strache und seine mit ihm angereisten österreichischen Neonazi-Freunde.
Es war nicht die einzige Neonazi-Veranstaltung, an der Strache teilnahm. Immer wieder wurde er bei solchen Treffen fotografiert, polizeilich kontrolliert, vorübergehend festgenommen. 1990 wurde Strache bei einer Veranstaltung der neonazistischen Deutschen Volksunion festgenommen und mit einer Strafe von 8000 Schilling belegt. Das war damals sehr viel Geld. Es kann keine Bagatelle gewesen sein, die Strache eine derart hohe Strafe eintrug.
Anfang 2007 tauchten Fotos auf, die Strache mit der einstigen Nachwuchselite der Neonazi-Szene beim so genannten „Wehrsport“ zeigten. Die größten Probleme bereitete ihm ein Foto, auf dem er mit jenem Kühnen-Gruß zu sehen ist, den Neonazis anstelle des verbotenen Hitlergrußes verwenden. Auf der Suche nach Ausreden stolperte Strache von einer Unwahrheit in die andere: Zuerst gab er den Nazi-Gruß als „burschenschaftliche Tradition“ aus, dann als „Gruß Südtiroler Freiheitskämpfer“, danach als „Heilige Dreifaltigkeit der Serben“. Als all diese Versionen widerlegt waren, behauptete er, „drei Bier“ bestellt zu haben.
Als die Medien über Straches neonazistische Vergangenheit berichteten, versuchte die FPÖ, die journalistischen Aufdecker zu verleumden: „Fälschung“, „Manipulation“, „Gesinnungsterror“, „Faschismuskeule“, Menschenhatz“, „Lynchjustiz“ – die Ausdrücke, mit denen Strache und seine Parteifreunde die Pressefreiheit attackieren, haben sich seither kaum geändert.
Dass von ihm eines Tages Fotos auftauchen könnten, die ihn mit Hitlergruß zeigen, hat Strache nie ausgeschlossen. Ein Vizekanzler oder Innenminister, von dem Fotos um die Welt gingen, die ihn mit Hitlergruß zeigen: Das wäre der Mega-Gau für Österreichs internationales Ansehen.
Von der Buberlpartie zur Burschenpartie
Unter Strache ist es in der FPÖ zu einem Machtwechsel gekommen. Die deutschnationalen, schlagenden Burschenschaften haben die Partei zuerst unterwandert, dann dominiert und zuletzt in Besitz genommen. Geführt wird die-FPÖ von einem Obmann und fünf Stellvertretern: Bis auf einen alles Burschenschafter.
Der Bevölkerungsanteil der Burschenschaften beträgt 0,4 Promille (nicht Prozent). Es ist also eine zahlenmäßig völlig unbedeutende Akademiker-Clique. Gewicht erhält sie durch ihre rechtsextreme, partiell neonazistische Positionierung:
- Die Burschenschaften haben sich aus den Traditionen des Nationalsozialismus nie gelöst
- und sie bekennen sich bis heute zu Großdeutschland.
Beide Positionen verstoßen gegen die österreichische Bundesverfassung. In dieser hat sich Österreich erstens dazu verpflichtet, alle Spuren des Nationalsozialismus aus Gesellschaft und Politik zu tilgen. Und zweitens: jede großdeutsche Propaganda zu verhindern.
Österreichs Burschenschaften und die führenden FPÖ-Politiker kämpfen seit Jahren gegen diese beiden grundlegenden Merkmale der nach dem zweiten Weltkrieg wiedererstandenen Republik.
- Unter Straches Obmannschaft und Hofers redaktioneller Leitung wurde das unter Haider eliminierte nationalsozialistische Gesellschaftsmodell der „Volksgemeinschaft“, das in der wissenschaftlichen Literatur als „Wesenselement nationalsozialistischer Staatstheorie“ bezeichnet wird, wieder in das Parteiprogramm der FPÖ und in das Handbuch Freiheitlicher Politik geschrieben.
- In den Burschenschaften gilt nach wie vor der Arier-Paragraph der Nazis, auch wenn er hinter dem harmlos klingenden Begriff des „Abstammungsprinzips“ verborgen wird.
- In burschenschaftlichen Medien werden die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost, die Täter glorifiziert, die Opfer verleumdet.
- Burschenschafter nehmen an Traditionsveranstaltungen der Waffen SS teil, die für die schlimmsten Verbrechen des zweiten Weltkriegs verantwortlich ist und von ordentlichen Gerichten als „nationalsozialistische Verbrecherorganisation“ eingestuft wurde.
- Burschenschafter und höchste FPÖ-Politiker treten bei Neonazi-Veranstaltungen als Redner auf, bei denen Hitler als „zweiter Erlöser der Menschheit“ glorifiziert und die Fortsetzung der nationalsozialistischen Ausrottungspolitik angeregt wird.
- Burschenschaften indoktrinieren Studenten in neonazistischem Sinn durch sogenannte „Bildungsveranstaltungen“, bei denen die Elite der braunen Brandredner Europas referiert.
- Unter burschenschaftlicher Führung stecken sich FPÖ-Politiker bei konstituierenden Sitzungen von Parlament und Landtagen das Nazi-Symbol der Kornblume ans Revers.
Auch gegen den zweiten Grundsatz der Bundesverfassung, das Verbot großdeutscher Propaganda, wird von Burschenschaftern regelmäßig verstoßen: Die österreichische Nation wird als „Hirngespinst“ lächerlich gemacht oder als „Missgeburt“ verunglimpft (der Begriff stammt aus Hitlers „Mein Kampf“). Im Handbuch des Dachverbandes der Burschenschaften heißt es, die Österreicher seien Deutsche, folglich sei Österreich ein „deutscher Staat“. Die Wiener Burschenschaft Olympia, der zahlreiche Spitzenpolitiker der FPÖ angehören, hat allen Ernstes gefordert, Österreich „in die deutsche Wiedervereinigung einzubeziehen“. Eindeutiger lässt sich Verfassungsfeindlichkeit nicht artikulieren.
Familienpolitik und Frauenbild
Auch in der Familienpolitik gibt es einen bemerkenswerten Gleichklang mit dem nationalsozialistischen Gesellschaftsmodell. In Hitlers Mein Kampf heißt es (Zitat): „Die Ehe kann nicht Selbstzweck sein. Sie muss dem Ziel der Vermehrung und Erhaltung der Art und Rasse dienen.“ Für Joseph Goebbels war das Ziel der Ehe, dem Land „Kinder zu schenken“ und damit einen „Dienst am Volksganzen“ zu erbringen.
Strache fordert eine „geburtenorientierte Politik“, um den „Bestand des eigenen Volkes gegen den „Kinderreichtum von Zugewanderten“ zu sichern. Das Freiheitliche Bildungswerk definiert als Ziel von Ehe und Familie die „Hervorbringung von Nachwuchs für das staatliche Gemeinwesen“.
Die FPÖ schließt nahtlos an die Familienpolitik der Nazis an: Der Kinderwunsch ist nicht Privatsache, nicht mehr Lebenswunsch liebender Partner, sondern „Dienst am Volk“, Dienst am Land, vor allem aber: Dienst an der „Rasse“.
2013 war Norbert Hofer Herausgeber eines Buches, für das er und Strache Vorworte schrieben. In diesem heißt es, jede Organisation verliere an Ansehen, „je höher der Frauenanteil – und je bedeutender die von Frauen bekleideten Funktionen sind“.
Ideologische Positionierung
Nach wissenschaftlichen Kriterien ist die FPÖ eine rechtsextreme Partei. Der in Klagenfurt lehrende Rechtsextremismus-Forscher Willibald Holzer hat eine Definition in Form eines Kriterienkatalogs erarbeitet, die jeden Zweifel ausschließt.*
Rechtskräftige Urteile des österreichischen Verfassungsgerichtshofes legen nahe, dass man die FPÖ als neonazistisch einordnen dürfte: Die von Burschenschaftern gegründete NDP wurde verboten, weil deren Programm „in Kernpunkten mit den Zielen der NSDAP“ übereinstimmte. Als solche werden in dem Urteil der „biologisch-rassistische Volksbegriff“ und die „großdeutsche Propaganda“ genannt.
Der „biologisch-rassistische Volksbegriff“ findet sich in Form der „Volksgemeinschaft“ im Parteiprogramm der FPÖ und im Abstammungsprinzip der Burschenschaften wieder. Das Bekenntnis zum „Deutschen Vaterland, unabhängig von bestehenden Grenzen“, ist burschenschaftliches Prinzip.
Nationalsozialistisches Gedankengut erkannten die Verfassungsrichter auch in der Forderung, die Zuwanderung von „Nichtdeutschen“ zu verhindern. Die Abschiebung „volksfremder Elemente“ sei eines der Hauptziele der NSDAP gewesen.
Gleichzeitig wird in den Urteilen eine lange Reihe „fremdenfeindlicher Schlagworte nach Art der NS-Propaganda“ angeführt, die nahezu wortgleiche Entsprechungen in der Wahlwerbung der FPÖ finden, z. B. „Umvolkung“, „Massenzuwanderung“, „Minderheit im eigenen Land“, „Wien verliert seinen mitteleuropäischen Charakter“.
*Als wichtigste Kriterien nennt Holzer Antiliberalismus, Antipluralismus, Reduktion komplizierter sozialer Zusammenhänge auf ein Freund-Feind-Schema, Frontstellung gegen die (repräsentative Parteien-)Demokratie, die Forderung nach einem starken Staat, autoritäres Führer- und Gefolgschaftsprinzip, Volksgemeinschaftsideologie, völkischen Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus, Antifeminismus, die Behauptung naturgegebener sozialer Differenzen, Stärke- und Männlichkeitskult bis hin zur Gewaltbereitschaft sowie unterschiedliche Formen des Revisionismus.
Mit freundlichen Grüßen,
Hans-Henning Scharsach
Ausführlichere Darstellung samt Quellenhinweisen in: Hans-Henning Scharsach 2012: „Strache – im braunen Sumpf“ und 2017: „Stille Machergreifung , Hofer, Strache und die Burschenschaften, Kremayr & Scheriau.