Der Autor Hans-Henning Scharsach hat anlässlich der Angelobung der neuen schwarz-blauen Regierung eine Textserie zum Thema „Volksabstimmung“ verfasst. Wir veröffentlichen hier seine Texte.
Liebe Freundinnen und Freunde,
das in Folge eins genannte Beispiel von Hitler, der mit Volksabstimmungen zur diktatorischen Macht kam, ist kein Einzelfall. Von autoritären Despoten aller Welt und aller Zeiten wurden Volksabstimmungen als Mittel zur Aushebelung der Verfassung, zur Festigung ihrer diktatorischen Macht und zur Legitimierung des Machtmissbrauches genützt.
1963 ließ Schah Reza Pahlavi per Volksabstimmung mit fast 100 Prozent seinen Gegenspieler Ajatollah Chomeini ausschalten. 1979 putschte sich Chomeini per Volksabstimmung mit 99 Prozent zurück an die Macht.
2002 hebelte der irakische Diktator Saddam Hussein die Verfassung aus, indem er sich mit Hilfe einer Volksabstimmung für eine weitere siebenjährige Amtszeit in seiner Position bestätigen ließ.
Ein geradezu klassisches Beispiel für den Missbrauch des vermeintlich demokratischen Instruments hat die Türkei im April 2017 geliefert. Recep Tayyip Erdogan hatte nach Ausrufung des Ausnahmezustandes die oppositionellen Medien ausgeschaltet, den Staatsapparat, Gerichte und Universitäten von Gegnern und Kritikern „gesäubert“, Zehntausende verhaften lassen, das Land mit einer Propagandawelle überzogen, am Wahltag zigtausende dubiose Stimmzettel für gültig erklärt, Wahlbeobachter an der Ausübung ihrer Kontrollfunktion hindern lassen und sich mit einer Mehrheit von 51,4 Prozent zum alleinigen Führer eines autoritären Systems gekürt.
Was wären die Folgen, würde unsere repräsentative Demokratie durch die Aufwertung plebiszitärer Elemente ausgehöhlt? Mit dieser Frage befasse ich mich morgen.
Mit freundlichen Grüßen,
Hans-Henning Scharsach
Details und Belege findet ihr in Hans-Henning Scharsachs neuem Buch „Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften“. Ab sofort im Buchhandel erhältlich.
Foto: Rainer Prohaska