Mein geliebter Mann Carlos Springer hat die Freie Bühne Wieden so gestaltet, wie Du sie übernommen hast. Aus einem kahlen Versammlungssaal machte er einen Theaterraum, in dem die Collagen von Leo Tichat das Publikum einstimmten. Künstler, die auf der Wieden wohnten, schenkten mir dafür ihre eigenen Erinnerungen; Dinge, die sie selbst am Körper getragen haben: Der Stern aus dem KZ vom Maler Heinrich Sussmann, das Korsett von Cissy Craner, das sie im Kabarett in der Emigration trug, die handgeschriebenen Texte von Georg Kreisler, die Bühnenhandschuhe der Neff als Maria Stuart u.s.w.u.s.f.
Das alles signalisierte: Diese Bühne ist dem jüdischen Volk und seinem Kulturgut zutiefst verbunden. Bühnenpartnerschaften von Petersburg bis Tel Aviv haben bewiesen wie die Freie Bühne Wieden international angenommen wurde.
Carlos und ich haben immer persönlich und künstlerisch gegen jede Aktivität von Rechtsaußen gekämpft. Gewalttätige Übergriffe und das Beschmieren unserer Schaufenster mit Scheiße haben uns eher bestärkt als entmutigt, unseren Kampf gegen Antisemitismus und Alltagsfaschismus fortzusetzen.
Die Begeisterung, mit der Du, Michaela, den Regisseur Barylli, Strache und seine Burschenschafter in Deinem Theater hofiertest, und in den Medien bejubelst, hat Dir und der Freien Bühne Wieden geschadet und mir wehgetan. Ein Foto zeigt, wie eine Uraufführung in unserem Theater einst gewürdigt wurde: In der ersten Reihe Bruno Kreisky, Fred Sinowatz und Willy Brandt mit seiner Frau. Und bei Dir? Strache mit Konsorten, und der Autor Barylli, dessen Stück Du angenommen hast, nachdem verschiedene andere Bühnen es abgelehnt hatten.
Wenn die FBW noch einen Vorhang hätte, könnte ich mit Brecht sagen:
Wir stehen selbst enttäuscht und sehr betroffen//
Den Vorhang zu – und alle Fragen offen!
Professorin TOPSY KÜPPERS, Schauspielerin & Autorin
Foto: creative commons