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Rede zur Verleihung des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch 2017

Posted in Aktuelles

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde. Ich will heute nicht auf den Inhalt meines Buches eingehen, ich will erklären, wofür es geschrieben wurde: Es ist ein Buch für den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen den Abbau demokratischer Freiheitsrechte.

Das beginnt bei der Pressefreiheit. Joseph Goebbels hat Begriffe wie „Systemmedien“ und „Lügenpresse“ einst als Waffe gegen Demokratie und Meinungsvielfalt eingesetzt. Mit genau diesen Nazi-Ausdrücken attackiert die FPÖ heute seriöse Medien. „Faschismuskeule“, „Rotfunk“, „linke Gesinnungsstasi“, „Menschenjagd“, „Lynchjustiz“: Wir alle kennen die Ausdrücke – und wer sich zeitgeschichtlich ein wenig auskennt, erkennt auch das System: Das ist die Täter-Opfer-Schuldumkehr der Nazis, mit der die FPÖ korrekt arbeitende Journalistinnen und Journalisten zu Tätern macht.

All das ist keineswegs harmlos. Das ist der Versuch, die wichtigste Kontrollinstanz unserer Demokratie zu beschädigen.

Es ist die Zivilgesellschaft, die gemeinsam mit der Opposition dafür kämpfen muss, dass die Einschüchterung von Journalistinnen und Journalisten folgenlos bleibt und dass der ORF vor dem Zugriff der Regierungsparteien geschützt wird – notfalls durch ein neues ORF-Volksbegehren, das nebenbei bemerkt viele meiner Freundinnen und Freunde schon jetzt für unvermeidlich halten.

Widerstand gilt es auch gegen Einschränkungen des Demonstrationsrechts zu leisten: Wir haben einen Innenminister, der „Platzverbot statt Denkverbot“ gefordert hat. Platzverbot heißt Einschränkung des Demonstrationsrechtes. Denkverbot ist jenes Neonazi-Vokabel, mit dem Rechtsextreme seit Jahrzehnten gegen das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung agitieren. Nichts beschreibt den Zustand unserer Demokratie besser als ein Innenminister, der das Demonstrationsrecht attackiert und sich dabei des typischen Neonazi-Vokabulars bedient.

Unseres Schutzes bedarf auch der Rechtsstaat. Wann immer FPÖ-Politiker wegen schweren Betrugs, Untreue, Vorteilsnahme, Bestechlichkeit, falscher Zeugenaussage verurteilt werden, reagiert die Parteiführung mit Vorwürfen wie „Politprozess“, „Gesinnungsjustiz“, „Politwillkür“. Unser Innenminister empfindet die Verurteilung eines FPÖ-Politikers nicht als Schandfleck für seine Partei, sondern als „Schandfleck für Österreichs Justiz“. Und wieder die nationalsozialistische Täter-Opfer-Umkehr: Wieder werden Täter zu Opfern gemacht.

Was aber das Wichtigste ist: Liebe Freundinnen und Freunde, wir müssen versuchen, den Österreicherinnen und Österreichern die Angst zu nehmen. Der Innenminister lässt keine Gelegenheit aus, Angst vor Asylsuchenden zu verbreiten. Die Kriminalstatistik aber belegt etwas ganz anderes: Noch nie war Österreich so sicher wie heute. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Anzeigen gesunken, die Aufklärungsquote gestiegen. Die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 hat zu keinem Anstieg der Kriminalität geführt.

Die Tätergruppe der Ausländerkriminalität sieht übrigens ganz anders aus, als Kickl glauben machen will. Da führen nämlich mit deutlichem Abstand Rumänen und Deutsche – also EU-Bürger – vor Serben.

Gestiegen ist dafür eine andere Art der Straftaten, nämlich die rechtsextrem und rassistisch motivierte Gewaltkriminalität.

Zuletzt müssen wir endlich damit beginnen, Widerstand gegen das Netzwerk des Hasses zu leisten, das die Freiheitlichen im Internet etabliert haben. Von der kleinsten Ortsgruppe bis zur Bundespartei, vom einfachen Mitglied bis zur Parteispitze werden Hass-Postings verbreitet und die unglaublichsten Lügen ins Netz gestellt.

Strache veröffentlicht auf seinem Internet-Auftritt frei erfundene Überfälle auf Billa und Hofer. Der ehemalige Kärntner FPÖ-Chef schildert den Mord in einem Flüchtlingslager, den es nie gegeben hat. Auf FPÖ-Seiten wird behauptet, eine Frau sei gestorben, weil die Rettung wegen des Flüchtlings-Chaos zu spät gekommen sei, ein Kind habe wegen der Behandlung von Flüchtlingen keine Therapie bekommen, in Kindergärten dürften christliche Feste wie Weihnachten und Ostern nicht mehr gefeiert werden, usw, usw. Alles nicht wahr, alles frei erfunden. Aber was einmal im Netz ist, das lässt sich nicht mehr einfangen, das wird tausendfach geteilt und lebt auch dann noch weiter, wenn die Lügen längst widerlegt sind.

Sogar die Fotos, die den von der FPÖ behaupteten Horror beweisen sollen, sind oft gefälscht. Einen Bericht über gewalttätige Proteste gegen den Akademikerball belegt Strache mit Bildern von brennenden Barrikaden. Fotos, die Angst machen. Aber sie stammen nicht vom Akademikerball. Sie sind irgendwann bei Straßenschlachten in der Türkei aufgenommen worden.

Nach einem Terroranschlag mit zahlreichen Toten postet Strache das Video einer „islamistischen Freudenkundgebung“. Da sieht man dunkelhaarige Männer, die sich jubelnd um den Hals fallen. Aber es sind keine Islamisten. Und sie jubeln nicht über den Terror. Das Foto ist vier Jahre alt und zeigt die pakistanische Cricket-Nationalmannschaft, die jubelt, weil sie den Weltcup gewonnen hat.

Was solche Fälschungen auslösen, kann man danach auf Straches Facebook-Auftritt lesen. Da gibt es unzählige Postings wie „an den Galgen“, „an die Wand“, „ertränken“, „eine Kugel“, „anzünden“. Oder: „KZ muss seine Türen wieder öffnen“, „Mauthausen aufsperren und ich bin der erste Heizer“, „Adolf Hitler, wir brauchen dich“.

Liebe Freundinnen und Freunde, es liegt an uns, FPÖ-nahe Medien und freiheitliche Facebook-Auftritte zu beobachten. Wir müssen derartige Fälschungen und Hasstiraden öffentlich machen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie dokumentiert werden, dass seriöse Medien sie zum Thema machen.

Nicht zuletzt sind es die sozialen Rechte, die wir verteidigen müssen. Immer weiter öffnet sich die Einkommens- und Vermögensschere zwischen Arm und Reich.

Oxfam, eine weltweit operierende Entwicklungsorganisation, die sich der Bekämpfung der Armut verschrieben hat, machte 2014 die nüchternen Zahlen zu einem einprägsamen Bild: In einem einfachen Reisebus hätten jene 85 Männer Platz, die so viel besitzen, wie die ärmere Hälfte der Welt, wie 3,6 Milliarden Menschen.

Aber dieses Bild musste drei Jahre später bereits neu gezeichnet werden. 2017 genügte bereits ein Kleinbus für nur acht Männer, die so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Welt.

Star-Ökonomen wie Thomas Piketty und Nobelpreisträger wie Joseph E. Stiglitz oder Paul Krugman bieten Rezepte gegen diese Entwicklung an – nicht um die Armen zu schützen, sondern um die Marktwirtschaft zu retten, weil dieses System, das die Ärmsten aushungert während wenige Superreiche zu Herren der Welt werden, in einen weltweiten Wirtschaftskollaps zu münden droht.

Unter dem Eindruck solcher Szenarien wird in den meisten westlichen Ländern versucht, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Nicht in Österreich. Hier hat ein junger Bundeskanzler der ÖVP die christliche Soziallehre außer Kraft gesetzt, in der Solidarität und die Sozialpflichtigkeit des Eigentums festgeschrieben sind. Gemeinsam mit seinem Koalitionspartner sorgt er dafür, dass die Ärmsten noch ärmer werden, damit die Reichen durch eine anschließende Steuerreform noch reicher werden können – als Belohnung für großzügige Parteispenden, wie kritische Journalisten meinen. Auch dagegen müssen wir Widerstand leisten: Im Parlament, auf unseren Internet-Seiten, durch Leserbriefe in den Medien, notfalls auf der Straße.

Liebe Freundinnen und Freunde, auf der Website des Freiheitlichen Akademikerverbandes Salzburg fand sich folgender Eintrag (Zitat): „Demokratie schafft immer Unordnung. Sie spaltet das Volk. Sie ist eine Fehlgeburt der Geschichte, die Hure des Westens.“

Demokratie als „Fehlgeburt der Geschichte“ und „Hure des Westens“: Präziser kann man es nicht auf den Punkt bringen, was Österreich droht, wenn Opposition und Zivilgesellschaft sich den Anschlägen auf unsere Freiheitsrechte nicht entschlossen in den Weg stellen.

Wenn meine Bücher dazu Anstöße geben, hat sich die Arbeit gelohnt.

 

Foto: Michael Hetzmannseder