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„Nazilieder“ keine Einzelfälle: Die Spur von Nazi-Texten reicht weit zurück

Posted in Aktuelles

Neben der „Germania Wiener Neustadt“ ist jetzt auch die Burschenschaft „Bruna Sudetia“ in den „Nazilieder-Skandal“ verwickelt. Buchautor Hans-Henning Scharsach legt dar, dass die antisemitischen Texte in deutschnationalen Kreisen keineswegs Einzelfälle sind.

Nach dem Auftauchen weiterer Liederbücher mit antisemitischen Texten bei der Burschenschaft „Bruna Sudetia“, nehmen Strache und Hofer den Obmann der Burschenschaft und Pressemitarbeiter des FPÖ-Infrastrukturministeriums, Herwig Götschober, in Schutz.

Währenddessen bereitet die FPÖ die politische Reaktivierung von Udo Landbauer vor, da die Staatsanwaltschaft nicht gegen ihn ermittelt.

Dass sowohl Landbauer als auch Götschober einer Burschenschaft angehören, die durch antisemitische Texte in ihrem Liederbuch deutlich machte, an den Traditionen des Nationalsozialismus keinen Anstoß zu nehmen, scheint nicht zu stören.

„Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: Gebt Gas ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“. Dieser Text ist kein Einzelfall. Er ist nur einer der letzten einer Reihe ähnlicher Dokumente jenes fanatischen Antisemitismus, an dem Burschenschaften bis heute festhalten.

Die Spur menschenverachtender Nazi-Texte lässt sich viele Nachkriegs-Jahrzehnte zurückverfolgen. Als im November 1961 ein jüdischer Friedhof in Innsbruck verwüstet wurde, konnten zwei Burschenschafter, Mitglieder der „Brixia“ und der „Suevia“ als Täter ausgeforscht werden. Bei einem der beiden wurde das folgende Gedicht gefunden:

„…der einzige Feind, den es wert ist zu hassen
und ihn unter Umständen auch zu vergasen
ist doch nur der ewige Jude, der heute
wie früher die dummen, weil ehrlichen Leute
bestiehlt und uns allen die Frischluft wegsaugt,
nicht ahnend, dass er nur zum Einheizen taugt.
Die Zeit wird bald kommen, darauf ist Verlass,
da man ihm zum letzten Mal setzt unter Gas…“

In den 1980er Jahren wurden eine Reihe neonazistischer Organisationen vom Verfassungsgerichtshof verboten, die eines gemeinsam hatten: Ihre Führungsfiguren kamen aus der Burschenschafter-Szene. Eine dieser Neonazi-Gruppierungen war die „Nationale Front“ von der die folgende „Kundmachung“ stammt:

„Alle Lehrer Österreichs, die den Auftrag der Siegermächte erfüllend, die Verbrechen am deutschen Volk leugnen und gleichzeitig mit den ihnen anvertrauten Schülern nach Mauthausen pilgern um dem Gasbetrug zu huldigen, werden, wenn wir die Macht gewinnen, durch ein Gesetz mit rückwirkender Kraft zu Verbrechern erklärt und so lange am Halse aufgehängt, bis dass der Tod eintritt.“

2003 sorgte bei der „Olympia“ der mittlerweile verstorbene Burschenschafter und Neonazi Michael Müller für musikalische Unterhaltung, der den Text von Udo Jürgens, „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an…“ umgedichtet hatte:

„Mit sechs Millionen Juden,
da fängt der Spaß erst an,
bis sechs Millionen Juden
da bleibt der Ofen an (…)
(…) wir haben reichlich Zyklon B (…)
Bei sechs Millionen Juden
Ist noch lange nicht Schluss“

Beispiele wie diese zeigen, dass sich Burschenschaften aus den Traditionen des Nationalsozialismus nie gelöst haben. Sie zeigen auch, dass die in den Liederbüchern der „Germania Wiener Neustadt“ und der „Bruna Sudetia“ abgedruckten Texte alles andere als Einzelfälle sind.

Hans-Henning Scharsach
23. Februar 2018

Foto: Screenshot ORF